Bund gegen Anpassung
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23. Mai 2022

Wir erinnern heute an das Massaker der NATO an Belgrader Journalisten am 23. April 1999

Man stelle sich einmal vor, durch einen gezielten Raketenangriff auf die Nachtschicht eines Kiewer Rundfunkgebäudes tötete Rußland auf der Stelle 16 ukrainische Journalisten, zerquetschte oder zerschnitte viele weitere Medienmitarbeiter im Inferno des zerberstenden Hochhauses zu lebenslangen Krüppeln oder begrübe sie lebendig im Trümmerberg. Was wäre dann hier wohl geboten in Presse und Fernsehen, wie viele Wochen gingen die Gedenkzeremonien, hingen die Trauerflaggen? – Daß die NATO vor 23 Jahren exakt ein solches Verbrechen beging, ist hingegen heute längst vergessen, soweit man es überhaupt je wissen wollte; diese Informationen sind tief in den Giftschränken der »Qualitätsmedien« begraben. Und es war nur eines der vielen NATO-Verbrechen gegen jugoslawische Zivilisten: zerschossene Personenzüge und Überlandbusse, über hundert schwerverletzte Arbeiter allein in Jugoslawiens größter Autofabrik, dutzendweise bombardierte Krankenhäuser, Strahlenverseuchung durch Depleted Uranium (DU)...

Wer sich nicht auf das verordnete Wegsehen und die geifernde Kriegshysterie beschränken lassen will, sondern stattdessen z.B. einmal auf den verbotenen Vergleich der jetzigen, äußerst verlustreichen Selbstbeschränkung der russischen Armee (insbesondere der Luftwaffe), um die ukrainische Zivilbevölkerung zu schonen, mit dem 11wöchigen Dauerbombardement des NATO-Angriffskriegs gegen Serbien einlassen möchte (auch während ihres Angriffskrieges auf den Irak 1991 hatten die USA und ihre Vasallen solche Skrupel nicht: in 6 Wochen 110.000 Luftangriffe, 88.000 Tonnen Sprengstoff, ca. 150.000 gefallene irakische Soldaten sowie über 100.000 tote Zivilisten allein durch die Bombardierungen; berücksichtigen wir noch das Embargo und die Strahlentoten durch DU etc. kommen über 1,5 Millionen tote Iraker zusammen. Und welcher »Qualitätsmedienhahn« kräht danach?!?), dem empfehlen wir beispielsweise die Ausgabe 88 unserer Zeitschrift Ketzerbriefe.

Als Erinnerung an die Opfer des NATO-Überfalls auf das Belgrader Funkhaus vor 23 Jahren hier ein Auszug zu diesem Verbrechen aus dem ausführlichen Artikel »Auch Treibstofflager und eine Autofabrik seien getroffen worden« – Konjunktivmißbrauch, Nachrichtenunterschlagung und Hetze der deutschen Presse während des NATO-Überfalls auf Serbien, beleuchtet durch einen Vergleich mit Presseberichten in Spanien:

Der NATO-Anschlag auf das Belgrader Funkhaus

Am Freitag, den 23. April 1999, um 2.06 Uhr schlugen NATO-Präzisionsraketen in die Studios des Hauptsitzes des staatlichen serbischen Rundfunk- und Fernsehsenders RTS in Belgrad ein, der auch mehrere private Fernseh- und Radiosender beherbergte. Wie der NATO genau bekannt war (auch westliche Journalisten gingen in der Sendeanstalt ein und aus, allerdings nicht zur Angriffszeit), wurde dort wie immer in Nachtschicht gearbeitet; etwa 150 Personen befanden sich in dem Gebäude. Die Raketendetonation zertrümmerte mehrere Etagen. Mindestens 16 Menschen starben nach ersten Berichten. Etliche Journalisten und andere Medienmitarbeiter wurden tot oder lebendig an ihrem Arbeitsplatz begraben; noch tagelang suchten Rettungstrupps nach Verschütteten, die sich teilweise mit Mobiltelefon zu melden versuchten. »Journalisten vor Ort«, berichtete die ›New York Times‹ am 23. April, »sahen die Leiche eines – fast geköpften – Mannes, die aus den Trümmern hing. Sie bemerkten einen anderen Mann, der zwischen zwei mächtigen Betonblöcken eingeklemmt war. Ärzte amputierten ihm an Ort und Stelle beide Beine, um ihn aus dem Schutt zu befreien. Er wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht, wo er nach Medienangaben starb.« »Die atlantische Allianz«, beginnt der Korrespondent von ›El Mundo‹, Julio Fuentes, seinen Bericht in der Samstagsausgabe seiner Zeitung, »feierte gestern ihren 50. Geburtstag mit einer unverantwortlichen Kriegshandlung gegen ein ziviles Kommunikationsmedium, mit der, ebenso wie die Meinungsfreiheit, zehn im öffentlichen Dienst beschäftigte Mitarbeiter des Rundfunks und Fernsehens von Serbien (RTS) getötet wurden, wie der staatliche Sender in einer ersten, vorläufigen Bilanz mitteilte.« Neben seinem Bericht das Photo eines Opfers, ein Mann mit blutüberströmtem Gesicht auf einer Bahre, der von einem Sanitäter versorgt wird. Die Schlagzeile unter dem Bild: »Pressevereinigungen verurteilen das Bombardement scharf.« Im dazugehörigen Artikel wird die Internationale Journalistenvereinigung (IFJ), eine Dachorganisation von Journalistengewerkschaften und -verbänden in der ganzen Welt, mit den Worten zitiert, der Bombenangriff sei »der Bruch eines Versprechens, der das Leben aller Journalisten und Medienmitarbeiter bedroht«. Die Vereinigung des Niederländischen Rundfunks sandte ein Protestschreiben an den niederländischen Verteidigungsminister, und die Nationale Gewerkschaft britischer Journalisten verurteilte den Angriff als »barbarisch«.

Die ›Süddeutsche Zeitung‹ hingegen frohlockte: »Die ›TV-Bastille‹ ist nicht gefallen (...) Das Gefängnis für alles, was der Belgrader Machthaber Slobodan Milosevic seit über einem Jahrzehnt der Bevölkerung an Informationen vorenthalten oder vorher zurechtbiegen läßt, ist aber schwer beschädigt«, beginnt ihr Belgrader Korrespondent seinen Bericht am Samstag bezeichnend anders als sein spanischer Kollege. »Die ausländischen Journalisten«, heuchelt er, »[sind] in diesen Tagen auch mit manchen RTS-Mitarbeitern bekannt oder gar Freund geworden. Und es bestürzte sie, von deren Geschick bei dem Raketenangriff zu hören. Die ausländischen Journalisten haben allerdings auch erlebt, wie das serbische Fernsehen in seiner Darstellung der ›verbrecherischen, feigen und faschistischen‹ Nato-Luftangriffe als einer ›systematischen Bombardierung ziviler Ziele‹ mit der Wahrheit umgeht.« Demgemäß begrub die SZ die Proteste internationaler und ausländischer Journalistenverbände in einem kürzestmöglichen Sätzchen (»Internationale Journalistenverei-nigungen protestierten gegen den Angriff. Eine Sprecherin von Blair rechtfertigte [...]«) und setzte einige Tage später (29.4.) knallhart nach: »Einen Proteststurm müßte es auslösen [hat es ja auch, nur unterschlug ihn die SZ], wenn tatsächlich die Nato lasergenau in Belgrad das freie Wort gekillt hätte. Aber so war es eben nicht. Attackiert wurde nicht das freie Wort, sondern die Lüge, und auch nicht die freie Meinung, sondern das Meinungsdiktat.« Usw. usf.

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