Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit muß das höchste aller Rechte sein, denn sie ist Grundlage und Essenz der Freiheit überhaupt, nämlich der politischen Freiheit (im alten Griechenland »Volksherrschaft« genannt). Denn diese besteht darin, gemeinsamen Beschlüssen zu gehorchen statt ererbten oder anderweitig eingesetzten Herren oder Gremien; deshalb darf die Diskussion, an deren Ende der Beschluß steht, nicht behindert oder eingeschränkt werden, so wenig wie die zahllosen individuellen oder informellen Diskussionen, die ihr gewöhnlich vorangehen und vorangehen müssen. Abstimmungen ohne Diskussionsfreiheit sind nicht besser als jede hundsgewöhnliche Tyrannei ohne formale Verkleidung.
Lüge und Aufforderung zu Gewalt sind freilich keine Meinungen. Wirkliche Meinungsäußerungen hingegen dürfen nur unterbunden werden aufgrund »allgemeiner Gesetze«, d.h. solcher, die sich nicht gegen die geäußerte Meinung als solche richten, beispielsweise Diskussionen während Feuerwehreinsätzen oder Konzerten, das Ausplaudern eines Arztgeheimnisses oder politische Reden auf Landebahnen. Andere Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit darf es nicht geben (so sagt es auch das unbekannte Grundgesetz in seinem Art. 5, nur das »Recht der persönlichen Ehre« und den fragwürdigen »Schutz der Jugend« fügt es noch hinzu). Denn ist die Äußerung von Gedanken nicht prinzipiell unabhängig von ihrem Inhalt möglich, läßt sich nicht mehr herausfinden, welche richtig und welche falsch sind, eine falsche Meinung läßt sich also nicht mehr korrigieren: die Wahrheit kann nicht mehr die Köpfe erobern. Damit kann es aber auch keine gemeinsamen Beschlüsse des Volkes mehr geben, die auf Erkenntnis der Wahrheit fußen, Demokratie genannt, keine Vernunft mehr (von lat. ratio, »Berechnen«, nämlich der wahrheitsgetreu erfaßten Wirklichkeit zwecks Erreichung des gewünschten Ziels) im öffentlichen Diskurs und damit keine Freiheit überhaupt. Und sollte eine Meinung noch so abstoßend, noch so verwerflich sein: gut, daß sie geäußert wurde, denn erst jetzt kann man sie, durch ebenso freies Äußern der Gegenmeinung, ähnlich einem diagnostizierten Tumor friedlich und heilsam aus den Köpfen ausmerzen! So sah es immer jeder echte Demokrat, z.B. Kurt Tucholsky in seinen beiden vielleicht besten, darum auch ungern nachgedruckten Aufsätzen (s.u.).
Die Vernichtung der Meinungsfreiheit war das wichtigste und tiefste Ziel Hitlers, weil ihr Fortbestand zu gemeinsamen Beschlüssen des Volkes, nämlich durch die »drohende« KPD-Mehrheit im Reichstag, geführt hätte, die den gesellschaftlichen Vorteilsnehmern und Geldgebern Hitlers diese Vorteilsnahme mittels Enteignung ihrer Produktionsmittel abgeschnitten hätte (wie sie das unbekannte GG als Folge von Hitlers Kriegsniederlage noch heute zuläßt: Art. 15). Hitler leistete ganze Arbeit, er ermordete den größten und besten Teil der KPD-Aktivisten, soweit sie nicht in letzter Sekunde hatten fliehen können, aber er vertrieb oder ermordete auch nahezu alle bekannten Anhänger des freien Wortes überhaupt und schuf so das Fundament für die »freiheitlich-demokratische Grundordnung«, die die US-Besatzer als den mehrheitlich von »ehemaligen«, d.h. über der »braunen« Farbe »schwarz« lackierten Nazis gesteuerten westdeutschen Staat installierten. Daß die Meinungsfreiheit in diesem Altnazi-Staat überhaupt noch einmal eine Renaissance erlebte, lag ausschließlich am sowjetischen Sieg bei Stalingrad über die Nazi-Invasoren und dadurch Fortbestand der UdSSR, der es den US-Besatzern opportun erscheinen ließ, jenen von ihnen geschaffenen Staat zunächst als »Schaufenster des freien Westens« zu präsentieren. Aber so wie die SPD durch Eberts und »Bluthund« Noskes Todesschwadronen (»Freikorps«) die Errichtung der Nazi-Diktatur ermöglicht und gebahnt hatte, zerstörte sie auch später die wiederbelebte Meinungsfreiheit durch Brandts Verfassungsbruch von 1972 – die politischen Berufsverbote –, und seit dem Untergang der Sowjetunion befindet sie sich im freien Fall: Der auf Befehl der US-Besatzer neugegründete politische Geheimdienst, restlos gebildet aus den Schlächtern und Schnüfflern der übernommenen Gestapo und pervers umbenannt in »Verfassungsschutz«, bespitzelt und verleumdet heute jede kleinste Regung organisierter Opposition, ja selbst die verfassungsmäßige (aber recht halbgare) Parlamentsopposition in Gestalt der AfD; deren Abgeordnete werden wie Frank Magnitz in Bremen von einer in »Antifa« umbenannten neuen SA zusammengeschlagen, ein Gewerkschaftsführer wie Andreas Ziegler in Stuttgart von einem Mordkommando fast umgebracht und mit bleibenden Hirnschäden schwerstens am Kopf verletzt, ein NPD-Aktivist wie Paul Rzehaczek in seiner Wohnung überfallen und ihm, weil er Fahrlehrer werden wollte, mit einem Hammer die Fußgelenke zertrümmert, der Regierung unerwünschte Buchhandlungen und Verlage werden überfallen wie die Klosterhaus-Verlagsbuchhandlung im Weserbergland oder der Antaios-Verlag auf der Frankfurter Buchmesse, selbst als »rechts« verdächtigte Bekleidungsgeschäfte werden verwüstet wie der Erfurter »Thor Steinar«-Laden – und die Verbrechen werden von der Presse erst durch ihre Hetze gebahnt und anschließend verschwiegen, ganz wie nach deren Machtergreifung die Ermordung Hypatias und vieler weniger Prominenter durch die Kirche, von den Kartellparteien, vorneweg »Linke« und »Grüne«, beklatscht, die Täter von Polizei und Justiz gedeckt oder, läßt sich ihre Anklage gar nicht vermeiden, allenfalls zu lächerlichen Strafen verurteilt – wie unlängst die Schwerverbrecherin Lina Engel in Leipzig –, Zustände also genau wie kurz vor und dann im Dritten Reich. Im übrigen herrscht eiserne Zensur bis hin zum Boykott bezahlter Anzeigen, komplettes Verbot steuergeldbezahlter Räume für jede ungefälschte Opposition, deren Mitgliedern die Steuern freilich nicht erlassen werden, oder sogar mißliebige Wissenschaftsvereinigungen und Überfälle selbst auf von ihnen teuer gemietete Privaträume wie die der EIKE-Wissenschaftlertagung 2019 in München, Kriminalisierung öffentlicher Meinungsäußerungen durch sprachlich verschmierte Gesinnungsparagraphen wie »Billigung eines Angriffskriegs«, ja selbst Hitlers Verfemung der klassischen deutschen Literatur kehrt zurück, wie sie derzeit gerade den Nachkriegs-Klassiker »Tauben im Gras« von Wolfgang Koeppen ereilen soll.
Das macht Angst. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Niemand sollte selbst die Schere im eigenen Kopf ansetzen, sondern muß, will er seine Person vor der Tag und Nacht rollenden Propagandawalze retten, ganz wie in Spätantike oder eroberten »Ostgebieten« z.B. der Ottonen gegen die Christianisierung, die ganz ähnlich organisiert wurde, den geschützten Meinungsaustausch mit Gleichgesinnten suchen, worauf auch die klassischen französischen Aufklärer zurückgeworfen waren und deshalb ihre berühmte »Salonbewegung« schufen. (D.h. die Ausbreitung freier und sprachlich sauberer Diskussion in durch Privatheit geschützten Räumen, eben den »Salons« der etwas Reicheren.) Denn die praktische Rückeroberung der Meinungsfreiheit hat nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn sie auf der Basis geistiger Klarheit und Illusionslosigkeit unternommen wird.
Hierzu gehört es auch, eine besonders tückische Propaganda aus den Köpfen zu vertreiben, die der Staat der Altnazis, mittlerweile der wild »antifaschistische« ihrer bravsten Zöglinge, leider selbst vielen Opfern seiner Gleichschaltung einreden konnte: Die Behauptung, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit (die »Grenzen« haben müsse – aber wer legt sie fest?) sei »links«, gar besonders »radikal links«, obwohl es seit ihrer historischen Entstehung kein sichereres und stetigeres Erkennungszeichen der authentischen Linken gibt als ihre Liebe zum Wort und daher ihr Kampf und kompromißloses Eintreten für die Meinungsfreiheit, ist diese doch der praktische Kern der Freiheit überhaupt, also des Gehorsams gegenüber eigenen Beschlüssen im Sinne des Rousseau'schen Gesellschaftsvertrags. Wer die Meinungsfreiheit unterdrückt oder beschneidet, kann niemals links sein, sondern, wenn er dies vorgibt, nur ein übler Fälscher und Lügner im – oft »gesponserten« und geschützten – Dienste der mächtigen gesellschaftlichen Vorteilsnehmer.
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